nachhaltige Entwicklung: Grundlagen

nachhaltige Entwicklung: Grundlagen
nachhaltige Entwicklung: Grundlagen
 
Nachhaltige Entwicklung (englisch Sustainable Development) ist ein Leitbild der Umwelt- und Entwicklungspolitik. Es bezeichnet einen globalen Zivilisationsprozess, der die Lebenssituation der heutigen Generation verbessert (Entwicklung) und gleichzeitig die Lebenschancen künftiger Generationen nicht gefährdet (Erhalt der Umwelt). Bekannt wurde die Idee der nachhaltigen Entwicklung (auch tragfähige, dauerhafte, umweltgerechte oder zukunftsfähige Entwicklung, kurz: Nachhaltigkeit) durch den Bericht der Brundtland-Kommission »Unsere gemeinsame Zukunft«. Dieser knüpft an die Umwelt- und Entwicklungsdiskussion der späten 60er- und frühen 70er-Jahre an, die ihren Niederschlag u. a. im Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und im ersten Report des Club of Rome (Grenzen des Wachstums) fand.
 
 Wirtschaftswissenschaftliche Anknüpfungspunkte
 
Ein grundlegendes Problem der Nachhaltigkeit ist ihre fehlende allgemein akzeptierte Operationalisierung: Weder ist es einfach, die Natur- und Umweltwirkungen zu quantifizieren, noch gibt es allgemein anerkannte Indikatoren für ökologisches Wirtschaften. Die neoklassische Denkschule geht von der »schwachen Nachhaltigkeit« aus, d. h., dass ein schwindendes Naturkapital (Umweltschäden, schrumpfende Ressourcen) für künftige Generationen hinnehmbar ist, wenn dafür ein gleichwertiger Ersatz an produktivem Potenzial geschaffen wird (etwa in Form von Wissen und technischen Anlagen). Dagegen vertreten die Anhänger einer ökologischen Ökonomie die »starke Nachhaltigkeit«: Der Ersatz von Natur- und Humankapital ist nur begrenzt möglich, weil nachhaltiges Wirtschaften nicht auf einen bestimmten kritischen Kapitalstock an Naturvermögen verzichten kann, v.a. die überlebenswichtigen Ökosysteme. Differenzen bestehen auch in der Frage, wie künftig auftretende Umweltschäden bzw. Ressourcenknappheiten zu bewerten sind.
 
Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, die Nachhaltigkeit im konkreten Wirtschaftsprozess umzusetzen. Bei erneuerbaren Ressourcen werden Nutzungsquoten ausgehandelt, wie z. B. bei Fischbeständen, wo eine Überfischung durch Festlegung nationaler Fangquoten vermieden werden soll. Eine Preiserhöhung für einen Rohstoff begünstigt sowohl dessen sparsamere Verwendung (oder dessen Ersatz) wie auch die Erschließung von Rohstoffquellen, die zum bisherigen Preis unwirtschaftlich war. Exemplarisch zeigt sich das am Erdöl: Nachdem die OPEC-Länder ihre Förderung gedrosselt hatten und der Ölpreis anstieg, wurde die Erschließung von Erdöl in der Nordsee wirtschaftlich, und es wurde außerdem die Entwicklung von Alternativen wie v.a. den nachwachsenden Rohstoffen (z. B. Rapsöl als Treibstoff) oder anderen erneuerbaren Energien (v.a. Wind- und Solarenergie) angestoßen. Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist es, die Energie- und Materialintensität der Wertschöpfung zu verringern, oder anders ausgedrückt, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln (qualitatives Wachstum). Ansätze hierzu sind neben einer gezielten Wiederverwendung von Rohstoffen durch Recycling ein Stoffstrommanagement. Letzteres bedeutet, dass Materialien, Emissionen und Abfälle ganzheitlich betrachtet und unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen eingesetzt und bewertet werden.
 
 Umsetzungsbemühungen auf internationaler Ebene
 
Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage von wirtschaftlich-technischer Optimierung und verbesserter Effizienz. In einem internationalen Abstimmungsprozess zwischen entwickelten und wenig entwickelten Ländern müssen auch globale Probleme durch Abkommen gemeinsam gelöst werden, v.a. die Nutzung der Gemeinschaftsgüter (z. B. die Atmosphäre oder die Ozeane). Eine wesentlichen Rolle spielte hierbei die 1992 in Rio de Janeiro abgehaltene UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED, Erdgipfel, Riogipfel oder Umweltgipfel), auf der folgende wichtige Dokumente unterzeichnet wurden: die Klimarahmenkonvention, die darauf zielt, die Treibhausgasemissionen (v.a. Kohlendioxid) einzuschränken, und die Agenda 21, die ein umfangreiches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert darstellt und Handlungsfelder, Umsetzungsmöglichkeiten, Akteure und Finanzierungsfragen benennt. Auf der Klimakonferenz von Kyoto Ende 1997 wurden für die Industrieländer rechtlich verbindliche Mengenziele für die Emission von Kohlendioxid festgelegt und als ein marktwirtschaftliches Instrument Umweltlizenzen für den Handel mit Emissionen anerkannt. Wesentliches Element der Nachhaltigkeit ist auch die Reduzierung des Weltbevölkerungswachstums, wofür die Stärkung der Rolle der Frau und die Bereitstellung von Mitteln für Bildung- und Gesundheitsfürsorge wesentlich sind. Großes Interesse rief die Frage hervor, welchen Beitrag einzelne Kommunen zur Umsetzung der Beschlüsse von Rio leisten können (lokale Agenda 21). Aufgrund der den Industrieländern zur Verfügung stehenden Technologien und Finanzmitteln haben diese gegenüber der Dritten Welt eine besondere Verpflichtung. Unter dem Begriff Suffizienz sind die Industrieländer aufgefordert, ihre bisherigen Wirtschafts- und Konsummuster auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen.

Universal-Lexikon. 2012.

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